Lebenslauf

des Christoffel vom Hengstacker

 
   

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Danke, dass Sie mich hereingelassen haben. Erlauben Sie mir, mich vorzustellen: Mein Name ist Christoffel, Christoffel vom Hengstacker. Erlauben Sie, dass ich mich setze? Meine Füsse tun mir weh. Ich möchte ja nicht unverschämt sein. Hätten Sie vielleicht einen Teller Suppe für einen müden Wanderer? Ich muss zwar sagen, dass ich sie nicht bezahlen kann, und auch zum Tauschen hab ich nichts. Was jedoch nicht heisst, dass ich mit leeren Händen komme. Dinge habe ich im Gepäck, wertvolle Dinge. Ich teile sie gerne mit Ihnen. Geben ist ja seliger denn nehmen, bekanntlich. Sie werden staunen. Danke für die Suppe. Sie sind so gut zu mir. Vergelts Gott. Soviel Edelmut labt mir mein darbendes Herz. Es gibt ihn immer weniger heutzutage.  

 

...und wenn ich Ihnen jetzt sage, dass das nicht immer so war? Glauben Sie mir, so Leute wie Sie gab es viele früher, als die Welt noch besser war. Und ich weiss, von was ich rede. Ihre Kemenate hier erinnert mich an Aachen, als ich für König Heinrich sang. Heinrich der siebente. Wie, sie glauben mir nicht? Ist mir wohl mein Abenteurerleben mit seinen Gefahren und Fährnissen schon so arg beigekommen, dass selbst ein Ritter mit so edler Gesinnung den Hoeveschlichen nicht erkennt, wenn er vor ihm steht...sitzt? (erhebt sich, stützt sich aber sogleich ab und fasst sich an die Lende) Da war eben dieser Armbrustbolzen bei jener Belagerung. Brescia. Ich war im Tross des Königs. Aber zum Schluss haben wir die Stadt doch eingenommen. Sie sollten die ganze Geschichte hören. Ich erzähle Sie Ihnen gerne.

 

Heinrich der Siebte! Was für ein König! Und fast auch noch Kaiser des heiligen Römischen Reiches, Wie Karl vor ihm. Die Lompardey hatte er schon fast in der Tasche, als ihn die Malaria weggerafft. Was für ein tugendhafter Mensch! Er gab alles hin für uns, selbst sein eigenes Leben. Wahrlich, geben ist seliger denn... Dürfte ich wohl in aller Bescheidenheit um einen Becher Wein bitten? Mein Herr, Wernher von Hohenberg, sie haben sicherlich schon von ihm gehört, Reichsvogt über die Waldstätte, Erbe der Rapperswiler Ländereien am oberen Zürichsee, und darüber hinaus – einer der begnadetsten Minnesänger seiner Zeit, er stand eigentlich hinter all diesen Siegen. Und hinter ihm stand ich. In aller Bescheidenheit.  – doch, doch, schenke sie nur nach –  ich habe ihm die Satteltaschen geflickt und den Harnisch mit Schachtelhalm abgerieben, sein Schwert geschärft, die Lederriemen gewachst... Was vermag der stärkste Schwertarm auszurichten, wenn er eine stumpfe Klinge aus einer löchrigen Scheide zieht? Nun, angefangen hatte alles auf einer der unzähligen Flussinseln, um die sich die Wägitaler Aa auf ihrem Weg schlängelt, bevor sie sich in den Zürichsee ergiesst. Obwohl es uns für bäuerliche Verhältnisse gut ging, denn die Wiesen waren fett und die Flussarme fischreich, waren wir doch dem Unbill der Natur und ihrer Unberechenbarkeit ausgesetzt. Und wenn der Fluss, launisch wie er war, über die Ufer trat, konnte es vorkommen, dass die Vorräte kaum reichten, um uns durch den Winter zu bringen. Als Grossvater der Habsburger Herrschaft noch Pferde liefern konnte, da waren die Zeiten besser gewesen. Doch das war vor Jahren, denn seit Rudolfs Tod hatten die Rapperswiler zusehends Land verkaufen müssen. Dabei  war es doch keine hundert Jahre her, dass man am jenseitigen Ufer des Sees sich eine neue Burg erbaut hatte. Aber  wir waren zufrieden mit dem, was sie hatten und manchmal, nach einem langen Arbeitstag, nahm Vater seine Flöte und spielte die Weisen, die Grossvater einst von grosser Fahrt mitgebracht hatte.

 

 

 

 

Jedes Jahr zu Martini machten wir uns den Fluss hinab auf den Weg zum Markt nach Alt-Rapperswil. Während unsere Eltern trotz der Novemberkälte unter ihren Lasten schwitzten, trieben wir Kinder tanzend und singend ein Schwein vor uns her. Ich sollte in die Rosenstadt kommen; ich war bei Albrecht, dem Marschall von Rapperswil verdingt worden. Als wir gegen Mittag durch das Hafentor schifften, hörten sie

 

schon von weitem die Fischer ihre Ware anpreisen. Auf dem Hauptplatz herrschte ein buntes Treiben. Die ganze Grafschaft war zusammen gekommen; die in teure Stoffe gekleideten hohen Herren, Bauern mit ihrem Vieh, aber auch weniger willkommene Gäste, allen voran die Rauhbeine aus den nahen Alpen, die weder sich den roten Bart schoren, noch ohne Halbarte auch nur einen Schritt aus dem Haus gingen. Die teutschen Händler machten keinen Hehl aus ihrem Argwohn über dieses wilde Volk, das sich scheinbar die Zeit am liebsten mit Schlägereien vertrieb. Doch im Moment noch wurde in den Schänken der Stadt überall getanzt und gesungen. Voller Spannung erwartete ich das neue Leben, das heute begann.

 

Beim Marschall. Ich wurde freundlich aufgenommen in meinem neuen Zuhause und hatte bald neue Spielkameraden gefunden. Der Marschall war ein vornehmer Mann, stets sauber gekleidet und freundlich zu allen Leuten. Ich wartete ihm häufig auf, wenn in der herrschaftlichen Stube der Tisch mit Pergamenten bedeckt war und er mit Federkiel und Tintenfass bewaffnet arbeitete. Albrecht sagte, er würde mir noch das Lesen und schreiben beibringen und die italienische Kunst der Buchführung. Das hatte er Vater versprochen. Doch im Moment noch  bestand meine Arbeit hauptsächlich darin, in der herrschaftlichen Stube still an der Wand zu warten, bis meine Dienste benötigt wurden. Dann brachte ich dem Marschall Speisen und Getränke oder weckte ihn, wenn er über seiner Arbeit eingeschlafen war.

 

Wernher von Hohenberg, der Graf zu Rapperswil war oft bei Marschalls zugegen. Trotz seines jugendlichen Alters war er eine imposante Erscheinung mit aufbrausendem Temperament.

Ich musste den beiden die Lieder vorsingen, die mir der Marschall diktiert hatte. Besonders der Graf fand Gefallen daran  und liess mir eine Fiedel geben, auf der ich nun jeden Tag zu üben hatte. Später liess er mich auch aufs Schloss rufen um an der gräflichen Tafel die Gäste zu unterhalten. Seit vor vielen Jahren der verstorbene Graf Ludwig von Homberg seine eigenen Minesteriale eingesetzt hatte, als er das Rapperswiler Erbe antrat, unterstand der eingesessenen Marschallsfamilie nur noch das Gebiet am oberen Zürichsee. Sobald ich gut genug schreiben konnte durfte ich ihn auf seinen Dienstreisen begleiten und führte die Listen nach. Einmal kamen wir nach nach Tuggen, einem Fischerdorf am Fuss des Buchbergs. Für mich war hier die Welt zu Ende. Als ich fragte, wer denn jenseits der Ebene leben würde, antwortete der Marschall, dort seien die Romanen, die ja doch niemand verstehen würde. Einzig die Mönche in Babinkova, einem Kloster, dass gerade noch erkennbar drüben am Fuss des Benkner Büchels liegt, sprächen noch unsere Sprache. Unterwegs besuchten wir meine Familie. Albrecht hatte für alle Schuhe machen lassen, ein kostbares Geschenk für arme Bauern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der junge Graf Wernher hatte mich schon immer sehr beeindruckt mit seiner Art. Es freute mich daher sehr, dass ich nun öfters meinen Dienst oben im Schloss zu tun hatte. Wernher hatte fünf Geschwister. Der jüngste Bub, Ludwig, war in meinem Alter. Ich mochte sie eigentlich alle, sofern man sich als Diener das erlauben darf, mit Ausnahme von Cäzilia. Sie war doch recht herablassend und pedantisch zu uns Gesinde. Irgendwann dann wurde sie ins Kloster Oettelfingen bei Zürich geschickt. Geschah ihr Recht, fand ich. Soviel ich weiss, ist sie mittlerweile Aebtissin geworden, was mich nicht wundert.

Wernhers Stiefvater Rudolf von Habsburg-Lauffenburg sorgte persönlich für eine gründliche Ausbildung des einstigen Heerführers. Im Alter von 21 Jahren schloss Wernher sich dem Deutschritterorden an und begab sich auf Grosse Fahrt nach Preussen. Ueber ein Jahr lang blieb er weg. Für diese Zeit befahl man mich zurück ins Haus des Marschalls. Wernher war wieder heimgekehrt. Die Fahrt hatte ihn erwachsen gemacht. Schön wie ein Falke kam er an der Spitze des Trosses über die Zugbrücke und den Zwinger herauf geritten, mit gleissendem Topfhelm und dem schwarzen Kreuz des Deutschordens auf  Schild und Rock. Er hatte sich bewährt in den Schlachten und war zum Ritter geschlagen worden. Rudolf persönlich half seinem Stiefsohn vom Ross herunter (das heisst schon etwas!)und führte ihn in die Burg.

Im Jahr darauf kam ein Bote des Königs.  Heinrich VII hatte von den Taten des jungen Deutschritters gehört und befahl ihn zu sich nach Aachen. Das hat mich nicht verwundert. Wernher wäre ja schon aufgrund seines Blutes in den Ritterstand erhoben worden. Unter uns. Man weiss ja, was jene Sorte Ritter Wert ist. Turnierpfauen, allesamt. Wissen nachher ganz genau, wie die Schlacht herging. Wahrscheinlich vom Berg heruntergeschaut, als das Gemetzel losging. So einer teuren Rüstung und dem Ross im Gegenwert von zwanzig Ochsen muss man halt Sorge tragen. Was würde denn die Frau Mutter dazu sagen, wenn man mit verbeultem nach Hause käme! Aber wenn einer zum Ritter geschlagen wird, weil er sich im Gefecht bewährt hat, ist das schon etwas ganz anderes. Und der von Homberg war so einer.

 

In Aachen bei Heinrich VII So machten wir uns auf den Weg nach Aachen. Im Tross war auch der Ritter Otto zum Turm. Er war ein schweigsamer Mensch, ich glaube, ich habe ihn mehr singen hören als reden. Vielleicht war er in Trauer, denn er trug damals einen Bart, den er sich erst schor, als er vor den König trat. Meinem Herrn musste ich ein neues Zimier machen, eins mit doppeltem Schwanenkopf. Das ist nicht so einfach, sag ich Ihnen. Man braucht dazu mindestens vier Schwäne. Den Kopf der ersten beiden legt man samt Hals und Schulter einige Monate in einen Ameisenhaufen, bis nur noch der Schädel und die Knochen übrig sind. Dann versteift man mit

 

 

Pech und Weidenruten den Hals. Die grünen Weidenruten wässert man eine Woche und flicht sie dann um den Knochen. Das ist das Schwierige am Ganzen. Die bleiben erst in der Form, wenn sie trocken sind. Aber ich hab da so meine Tricks. War ja auch nicht das erste Schwanen-Zimier von mir. Ich spann sie mit Lederriemen auf ein Brett, das ich in die Form geschnitzt habe. Nach ein paar Wochen, wenn das Ganze trocken und leicht ist, behält es dann auch die Form. Dann kommen die Federn. Je mehr, desto besser, hab ich gemerkt. Es muss weisse Schwäne sein. Die dunkeln sind nur gut für den Spiess, aber wenn man weiss wie, lässt sich auch aus einem weissen noch eine anständige Suppe machen oder ein Ragout, man muss ihn halt einfach lange kochen, aber nicht zu heiss, sonst wird das Fleisch trocken. Also Federn kann man nicht genug nehmen. Und so ein Ragout aus vier Schwänen reicht für sicherlich zwölf, je nachdem, ob man noch Rüben hat oder nicht. Und Rosmarin brauchts, ich hab mal  eine Staude aus Italien mitgebracht. Wernher mochte den besonders. Ach ja, die Federn. Die Klebt man lagenweise aufs Gestell um den hals und verschnürt ihn kräftig. Auf keinen Fall Leder nehmen, sondern Bast. Sonst fällt das Ganze auseinander, wenn’s regnet. Am Schwierigsten ist der Kopf. Da nehm` ich’s aus dem Untergefieder, aber nicht Daunen,  mehr die kurzen in der Mitte. Und Vogelleim. Das hält. Und auch wieder gut verschnüren, bis es trocken ist. Und das Ragout erst am Schluss salzen, sonst wird’s zäh.

 

Mensch, was haben wir gesoffen beim König. Der hatte alten italienischen Wein. Ganz was besonderes. Da kannst Du bechern eimerweise und kotzst nicht mal. Und am andern Tag wieder Frisch wie der Tau auf der Wiese. Die haben da natürlich Gans und Kapaun, nicht Schwan. Was gibt’s denn bei Ihnen so? Also ich ess` um diese Zeit immer einen Happen. 

Der König Heinrich der Siebente hat uns auch so fürstlich bewirtet. Das ist eben ein Mann von Welt, wie Ihr, Herr Burgherr! Hat meinem Wernher von Homberg aufgetragen, er möge im Talkessel von Schwyz und den Waldstätten ein Heer ausheben für die Lumpardei. Dreitausend! Das ist viel (und teuer)! Und Wernher hat höfeschlich zugesagt und gedankt. Steuern gabs da ja wohl keine einzutreiben. Aber Söldner haben die, die lassen Dir das Blut in den Adern erstarren schon beim Anblick. Stämmig sind sie und mit Knüppeln bewaffnet und falls sie`s überleben, kommen sie mit Dölchen und Halbarten wieder zurück. Es sei denn, einer habe vielleicht eine Kriegssense oder einen Eisenhut schon vom Vater. Zum Reichsvogt hat er meinen Herren Wernher auch gemacht. Und gleich mal ein paar Schilling springen lassen. 

 

Tod der Mutter Elisabeth 1309 Als wir zurück waren, starb schon bald darauf die Gräfin Elisabeth, Wernhers Mutter. Da gings gleich weiter mit dem Saufen. So eine Beerdigung hatte ich noch nie erlebt, nicht vorher und nicht nachher. Die ganze Stadt war auf den Beinen. Elisabeth hatte ja auch zu Lebzeiten schon zu feiern gewusst. Auf der Fahrt hatte ich alle Lieder Ottos auswendig gelernt  und aufgeschrieben. Er hatte seine Freude daran, er konnte ja selber nicht schreiben.  Die Nachfahren von Rüdiger Manesse aus Zürich sind ja jetzt fertig mit ihrer Liedersammlung.  Er selbst ist 1304 gestorben und hat das ja nicht mehr miterlebt. Ich hab natürlich auch meinen Teil dazu beigetragen. Die Oettingener Nonnen in Zürich mussten es nur noch abschreiben. Wegen mir haben sie jetzt auch die Lieder von Wernher, Otto und dem Marschall. Die Lieder haben`s aber auch verdient,  sind wirklich gut, ich weiss ja, von was ich rede. Nun ja, die eine oder andere Zeile musste ich schon noch etwas zurechtschleifen. Das ist natürlich etwas anderes, wenn man schreiben kann. Das gibt einem den Überblick. 

 

1310 im königlichen Tross nach Italien Im Oktober machten wir uns dann auf den Weg nach Italien. Ich bin Seite an Seite geritten mit König Heinrich, Wernher von Homberg, dem Grafen Rudolf und Otto zum Turm. Und Herzog Leopold war auch mit dabei. Darf ich fragen, wie Sie zu ihm stehen, seit Ludwig der Bayer auf dem Thron ist, meine ich? Aha. Unter uns, das ist eine ganz abgekochte Sau. Vornherum sich einschmeicheln beim König. Aber wir wussten natürlich ganz genau, dass der viel lieber seinen  älteren Bruder, Friedrich den Schönen, auf dem Thron gesehen hätte. Dann hätte er selber nämlich auch das Sagen gehabt. Hat mich behandelt wie den letzten Dreck. Ein edler Herr geht anständiger um mit dem Gesinde, erst recht, wenn es schreiben kann und Zimiere flechten.

 

Morgarten Nov 1315 Ich mag die Schwyzer. Sie sind von einem rauhen Schlag, aber ihre Geschichten sind gut. Wie gerne hätte ich mich ihnen damals angeschlossen und in fernen Ländern Abenteuer erlebt. Auch wenn manchem eine Hand oder ein Auge fehlte. So etwas gehört dazu beim Ryslaufen. Das ist jetzt eine ganz neue Mode: man schliesst sich einem bewaffneten Haufen an und geht in fremde Dienste nach Italien. Wie gesagt, ich hab mich immer gut verstanden mit denen. Aber diesmal waren sie einfach zu weit gegangen. Waren mir nichts, dir nichts nach Einsiedeln marschiert und hatten dort das Kloster geplündert und sogar einige Mönche mitgenommen. Die hatten sie zwar bald wieder auf freien Fuss gesetzt, aber trotzdem. Sie müssen wissen, das Kloster Einsiedeln steht unter Habsburger Schutz. Und wenn auch die Pfaffen ihr Vieh unterm Zaun durchgrasen liessen, interessierte die Habsburger das wenig. Wenn man bedenkt, was das für ein Licht auf uns Rapperswiler warf! Es waren doch immerhin unsere Schwyzer, die da geweihte Erde geschändet hatten. Als die Nachricht kam, hatte ich gerade Dienst auf der Burg. Ich werde nie verstehen können, weshalb die Herrschaft  daraufhin den besten Wein aus dem Keller bringen liess und den Boten, der sich übrigens -falls überhaupt jemals- gewiss seit Monaten nicht gewaschen hatte, nicht nur fürstlich bewirtete, sondern anderntags, nachdem alle ihre Räusche ausgeschlafen hatten, mit einem Glückwunschpergament zurück in die inneren Lande schickten. Noch Tage danach waren Wernher und sein Stiefvater Rudolf bester Laune und voller Tatendrang. 

 

Man müsste meinen, als Minnesänger ist man Zeit Lebens nur unglücklich verliebt. Aber das muss nicht für alle gelten. Mindestens für meinen Herrn nicht. Anno Domini 1315 heiratete Wernher eben die Frau, die er viele Jahre lang vergeblich liebte und der er seine Liebe obendrein erst nach dem Tod seines Stiefvaters im offen zeigen durfte. Maria von Oettelfingen, bildschön und dreizehn Jahre jünger als Wernher von Homberg,

Maria war als Gemahlin Rudolfs nämlich dessen Stiefmutter gewesen. Wenn Sie mich fragen, hatte sie schon längere Zeit ein Auge auf den jungen Deutschritter geworfen. Zur Hochzeit waren über100 weitgereiste Gäste geladen. Unsere kleine Stadt quoll über von all den Gästen, deshalb mussten viele ausserhalb in Zelten untergebracht werden. Ausgelassen feierten wir eine ganze Woche mit gutem Essen, Wein, Weibern und einem Turnier zu Ehren der Hohen Dame. Auch der Bischof von Konstanz war unter den Gästen, um die Trauung zu vollziehen. Und als im folgenden Sommer verkündet wurde, die Gräfin sei in guter Hoffnung (mein Herr war eben ein ganzer Kerl), schien der hoffnungsvollen Zukunft auch des Hauses nichts im Wege zu stehen. Aber dann kam alles anders.

 

 

Italienfahrt 1318 und Tod vor Genua 1320 Im März 1319 brachen wir erneut nach Italien auf. Der Feldzug verlief recht erfolgreich, doch dann fand 1320 mein von allen geliebter Graf vor Genua den Tod. Man hat schon gehört, dass er an Malaria gestorben sei, aber dass stimmt nicht. Fragen Sie mich, wenn Sie`s genau wissen wollen! Denn ich war bei ihm und hab ihn seine Wunden versorgt, die er sich in heldenhaftem Kampf zugezogen hatte. Wie er auf dem Sterbebett lag, rief er mich zu sich und sagte mir mit versagender Stimme „Christoffel“,sagte er, „Christoffel, mein treuer Diener! Hast Du all meine Lieder aufgeschrieben?“ – „Ja, mein Herr“,gab ich ihm zur Antwort, „es fehlt nicht eines.“

 

  – „So gehe zurück in die Heimat und bringe sie dem Herrn Rüdiger Manesse nach Zürich, damit er`s in seine Sammlung aufnehme!“

Der Graf hatte seinen Sohn Wernli nie richtig kennengelernt, und als dieser mit nur acht Jahren von Gott zu Sich berufen wurde, starb die Linie aus. Ich werde den Anblick des Trauerzugs nie vergessen können, allen voran das gräfliche Wappen, verkehrt herum, mit der Spitze nach oben.

 

Hats noch Wein...?

 

 

 
 

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